Korschenbroich. Flucht und Vertreibung – davon handelt die Ausstellung, die bis zum 4. Juli in der Sparkasse zu sehen ist. Erarbeitet wurde sie von Kleinenbroicher Schülern, die sich
anderthalb Jahre lang mit dem Thema auseinandergesetzt haben. Von Rudolf Barnholt
Anderthalb Jahre lang hatten zehn Jugendliche der Geschichtswerkstatt an der Kleinenbroicher Realschule auf diesen einen Moment hingearbeitet: Am Samstag wurde im Foyer der Sparkasse an der
Hindenburgstraße die Ausstellung über Flucht und Vertreibung eröffnet. Die Ergebnisse haben die Schüler recherchiert. Eva Hermanns (44) hat es als Leiterin der Geschichtswerkstatt verstanden, die
Neunt- und Zehntklässler zu motivieren. Sie setzten sich mit einem Thema auseinander, das auf den ersten Blick längst nicht mehr aktuell erscheint. Unterstützt wurden die Jugendlichen aber auch
von Martin Rüther (54) vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Kein Wunder, dass die Arbeit vom Landesarchivverband mit 7200 Euro dotiert wurde.
Dietmar Mittelstädt, stellvertretendes Vorstandsmitglied der Sparkasse Neuss, zitierte in seiner Begrüßungsrede die mittlerweile verstorbene Publizistin Marion Gräfin Dönhoff: "Dann standen wir
auf, ließen Speisen und Silber auf dem Tisch zurück und gingen zum letzten Mal durch die Haustür, ohne sie zu verschließen." Eine Erinnerung an den Beginn einer Flucht aus Ostpreußen an einem
bitterkalten Tag im Januar 1945.
Die Mitglieder der Geschichtswerkstatt waren ins evangelische Gemeindezentrum gegangen und ins Seniorenheim "Haus Tabita", hatten Menschen gesucht und gefunden, mit denen sie über ihre eigene
Flucht hatten sprechen können.
Tobias Langer gestand: "Am Anfang war es schwierig, Interviewpartner zu finden." Die betagten Menschen hätten gezeigt, dass sie dieses Kapitel längst noch nicht abgeschlossen haben. Gertrud
Albrecht beispielsweise, die ihre Geschichte schließlich preis gab, war zur Ausstellungseröffnung gekommen. Die 87-Jährige hat immer noch mit den Tränen zu kämpfen, wenn sie von früher spricht.
"Wir wurden als Polacken beschimpft", hatte auch Wolfgang Stock, Jahrgang 1937, der aus dem Sudetenland stammt, zu Protokoll gegeben.. Von der Korschenbroicher Bevölkerung zum größten Teil
gemieden, habe man zunächst fast ausschließlich in Flüchtlingskreisen verkehrt. Rüther half, das Problem "Flucht und Vertreibung" aus globaler Sicht zu begreifen. So entstand eine Landkarte, auf
der die Flüchtlingsströme eingezeichnet sind.
Dass die weit verbreitete Ablehnung gegenüber den Flüchtlingen im Laufe der Jahre abnahm, machte Bilanzen wie diese möglich: "Ich bin heute stolz, eine Korschenbroicherin zu sein", sagte die
Heimatvertriebene Christa Flohr den Mitgliedern der Geschichtswerkstatt. Sie hat hier eine neue Heimat gefunden, aller anfänglichen Probleme zum Trotz.
Quelle: NGZ